Nachhaltige Spuren
Heute kam die Frage auf, was wohl die nachhaltigeren Spuren hinterlässt: ein Traktor oder eine Blume?
Der erste Blick auf den sehr weichen Ackerboden derzeit, lässt ganz klar den Traktor als Nachhaltigkeitssieger der Spuren ins Rennen gehen. So ein zartes Blümchen knapp daneben sieht da ziemlich alt aus. Jedoch: Spuren im Acker wollen wir gar nicht haben. Das geht gar nicht. Sie gehen als Flurschaden in die Geschichte ein, verdichten den Boden, geben dem wertvollen Bodenleben empfindlich eins auf die Mütze und beschäftigen damit jahrelang die Regenwürmer & Co. KG und den Menschen, der versucht erfolgreich Gemüse anzubauen. Also nachhaltige Beschäftigungsmaßnahme vielleicht, unnötig auf jeden Fall. Eine Blume jedoch kann – je nach Gattung – durchaus positiv im Zusammenhang mit Nachhaltigkeit auffallen. Zunächst mal blüht sie wunderbar und sorgt vielleicht für ein Lächeln an einem bescheidenen Tag. Das hat Außenwirkung. Nun steht sie ja nicht zum Spaß auf dem Feld, bestenfalls hat sie einen klaren Auftrag, wie zum Beispiel Stickstoff sammeln. Wenn sie damit fertig ist, tut sie was für ihr Erbe und bildet Samen, die wiederum auf den Boden fallen und im nächsten Jahr zu neuen Blüten werden. So kann das immer weiter gehen, der Boden freut sich, das Gemüse freut sich, der Gärtner freut sich ebenfalls, die Kundin des Gärtners… wir haben es verstanden. Nachhaltigkeit ist ein wichtiges Thema, jedoch nicht alles was nachhaltig gut scheint, ist es auch.
So ein Matsch-Wetter ist ja prima geeignet zum Pitschedabbe;) Aber unsere Bullen hatten etwas die Nase voll von Regen, Nebel, Matsch und Süff. Darum sind sie letzte Woche umgezogen ins Winterquartier. Den Schafen macht das Wetter nichts aus. Sie sind immer noch gerne auf der Weide, schlafen auch noch draußen und freuen sich des Lebens. Auch deshalb, weil sie Gesellschaft bekommen haben von einem neuen Bock. Noch hat der Kleine nicht gerafft, dass er die Zukunftskarte ist, auf die die Schafdamen setzen, aber das wird schon noch. Wir werden sehen. Im Frühjahr.
Für uns geht die Gewächshaus-Saison zu Ende. Nun wurden auch die Tomatenhäuser geräumt. Dafür kam ein professioneller Häcksler und hat die ganzen Pflanzen klein gehäckselt, so dass sie jetzt gut auf den Komposthaufen passen. Schade irgendwie, aber wer will schon den ganzen Winter über heizen bis auf Wohnzimmertemperatur? Und man braucht ja auch was zum Freuen für den Frühling. (Ein kleines Reel dazu findet sich auf Instagram.) Die restlichen Tomaten reifen noch etwas nach und können noch gegessen werden, allerdings lässt die Haltbarkeit etwas zu wünschen übrig.
Vergangene Woche hatten wir einmal sehr kurz Besuch vom Winter. Das hat kurzfristig für 2-3 Tage Stress gesorgt, weil wir noch diverse Kultur auf dem Acker stehen hatten, die nicht so gerne Frost haben. Zum Beispiel Sellerie, der Kohl, Mangold,.. da mussten schnell mal alle Mann und Frau ran, um das noch reinzuholen und natürlich auch alle Gerätschaften, die mit Wasser zu tun haben. Dann kam zwar kein Frost bei uns. Naja gut, diese Vor-Winterarbeiten sind nun also auch erledigt. Jetzt geht’s ans Aufräumen, Planen und Schauen, dass wir dieses Jahr gut zu Ende bringen. Dazu gehört natürlich auch im Gewächshaus die zu Beginn des Jahres mühevoll verteilten Spaghettitropfer wieder aufzuwickeln. Draußen geht´s allerdings schon auch noch weiter mit der Ernterei. Feldsalat, Postelein, Lauch, Wirsing,… da ist die Erde an den Stiefel schonmal schwerer als der Mensch darin – gefühlt jedenfalls;)
Was ich unbedingt noch loswerden muss, das ist eigentlich eine Hoffnungsgeschichte vom Acker, so wie wir die gern an Ostern erzählen. Aber Ostern ist manchmal auch im Herbst. Das ist die Geschichte von unserem Blumenkohl:
Es war einmal eine kleine Pflanze. Sie wurde in den Boden gesteckt, mit Wasser versorgt und anschließend sollte sie wachsen und gedeien. So der Plan. Die Pflanze begann Wurzeln auszubilden, wuchs ein bisschen, wurzelte tiefer, wuchs weiter,… Irgendwann bemerkte sie, dass ihre Wasservorräte aufgebraucht waren. Sie versuchte tiefer in den Boden zu dringen, um an das Wasser dort unten zu gelangen, aber auch dort wurde es immer trockener und fester. Es kam einfach kein Wasser nach und die Sonne brannte tagtäglich unerbittlich auf sie nieder. Vor lauter unterirdischem Wassersuchen hatte sie sich nicht mehr besonders gut um ihr oberirdisches Aussehen bemüht, so dass sie mittlerweile sehr trostlos dreinschaute, gelbe Blätter hatte und sehr schlaff auf dem Acker stand neben all den anderen. Wenigstens war sie nicht alleine, aber sie alle hatten ein Problem: Hunger. Sie konnten sich nicht weiterentwickeln und kämpften alle ums nackte Überleben. Manche verlor den Kampf.
Einige Wochen später plötzlich, unsere Pflanze hatte sich in eine Art Schockstarre begeben und ihren Kreislauf auf ein Minimum heruntergefahren, wurde es deutlich kühler und nach einiger Zeit begannen die lang herbeigesehnten Regentropfen zu fallen. Zuerst nur wenige, dann immer mehr. In den folgenden Wochen regnete es so viel, dass der ausgetrocknete Boden zunächst gar nicht alles aufnehmen konnte. Irgendwann erreichten die Wurzeln der Pflanze wieder Wasser und sie begann es gierig aufzusaugen, alle Zellen zu füllen, legte Vorräte an und schließlich hatte sie wieder Kraft und konnte ans Weiterwachsen denken. Gleichzeitig hatte sie jedoch Angst. Aus der Erfahrung heraus, um das Überleben kämpfen zu müssen, wurde sie nun sehr nervös und fing nachts an mit einem Nebenjob, der langfristig für Sicherheit sorgen würde. Sie musste Kinder produzieren für die Altersversorgung! Das hatte sie im Sommer ihrer Jugend noch gar nicht bedacht, erschien ihr aber nun ungemein wichtig. Tagsüber legte sie sich sehr ins Zeug, aus ihrem etwas verkümmerten Material einen wunderschönen Körper zu zaubern. Gesundes Essen, genug Wasser, etwas Sport,… ruckzuck Veränderte sich ihre äußere Erscheinung und aus dem vertrockneten Pflänzchen wurde eine wunderschöne Blumenkohlblüte. Groß und hübsch, fest und weiß und hinreißend. Sie war sehr stolz auf sich, denn sie hatte nicht nur überlebt, sie war auch gewachsen mit diesen Herausforderungen und nun schaffte sie es auch noch, ihren Schlafbedarf zu reduzieren, und sich um die Zukunft zu kümmern. Sie gab wirklich ihr Bestes und das schon vom ersten Tag an.
Es kam der große Tag der Ernte, auf den sie alle hin gefiebert hatten. Sie wurden vom Gärtner abgeholt, in Kisten verpackt und weiter transportiert zu einem Gemüsehändler, um dort zur Augenweide in seinem Laden zu werden und anschließend zum Gaumenschmaus für glückliche Menschen. Aber es kam alles anders….
Der Händler rief den Gärtner an: Was hast du mir den da gebracht?! So einen Blumenkohl kann ich unmöglich meinen Kunden anbieten! Der ist ja ganz haarig auf der Oberfläche!
Und so kam es, dass die Kisten wieder zurück an den Gärtner geschickt wurden und der nun etwas ratlos und enttäuscht überlegte, was er tun sollte. Er ging nochmal über sein Feld und sah, dass alle Blumenkohlköpfe diesen zarten Flaum auf der Oberfläche hatten, erste Versuche, Blüten und später Samen zu produzieren. Nichts Schlimmes. Normal eigentlich. Aber - warum auch immer - nicht gut und schön genug für menschliche Kochtöpfe. Sollte er den Mulcher holen und einfach alles plattmachen???
Die Frau des Gärtners kochte einen der Köpfe und nachdem seine Tochter den Kopf komplett aus dem Topf gegessen hatte und ihn anrief mit dem Kommentar: Papa, dein Blumenkohl ist sooo lecker! entschied sich der Gärtner gegen den Mulcher und für den Blumenkohl. Er bot ihn seinen eigenen Kunden an mit der Erklärung, warum der Kohl etwas anders aussieht und siehe da: Viele kamen und kauften ihn, so dass der komplette Blumenkohl auf seinem Feld am Ende doch noch seiner wahren Bestimmung zukam und nicht sinnlos alle Kräfte ins Überleben investiert hatte.
Danke für alle Unterstützung! In unseren Köpfen wird dieses Erleben nachhaltig haften bleiben und es lässt uns hoffen, dass es doch ein paar Menschen gibt, die mit uns für einen vernünftigen Umgang mit und gegen die Verschwendung von wertvollen Lebensmitteln kämpfen.
Überlebenstipps für die Adventszeit gibt´s manchmal am Straßenrand - wie hier auf dieser Bank. (Ich bin mir sicher, das gilt auch für weihnachtsgestresste Schwestern) …oder im Folientunnel beim Salat, der aus der Reihe tanzt … oder im Treppenhaus bei Emmi, die grad gerne mal länger liegen bleibt. In diesem Sinne: eine ruhige, gemütliche und fröhliche Adventszeit!
Rebekka Zell für das Ackerlei-Team